Stahl ist gleich Stahl? Denkste! Jede Stahlart hat ihre eigenen Besonderheiten. Daher nimmt der Stahl auch großen Einfluss auf dein Outdoormesser. Ein kleiner Überblick zum Messerstahl.
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Kaufst du ein Outdoormesser, wirst du regelrecht erschlagen von den verschiedenen Stahlarten. 440er? D2? Carbonstahl? Ganz ehrlich: Ich hab’ anfangs nur Bahnhof verstanden. Was ich jedoch schnell begriffen habe: Stahl ist nicht gleich Stahl. Jeder Messerstahl hat seine eigene Charakteristik. Seine ganz eigenen Vorteile. Sowie Nachteile. Mancher Stahl ist zum Beispiel besonders korrosionsbeständig. Der nächste superhart. Der dritte wieder leicht zu schärfen. Je nach Einsatz lohnt es daher, wenn du dich zumindest etwas mit dem Thema beschäftigst. Damit du weißt, was dein Messer kann. Bzw. nicht kann. Wo Stärken bzw. Schwächen liegen. Oder gehst du bei Eis und Schnee in T-Shirt und kurzer Hose auf Tour? Eben drum…
Messerstahl: Wo liegen die Unterschiede?
Wähle dein Outdoormesser daher mit Bedacht. Wähle gut, wähle den richtigen Messerstahl nach deinem Bedarf. Apropos: Den einen besten Messerstahl gibt es nicht. Erwarte außerdem nicht für 20 Euro das Beste vom Besten. Da gibt es mitunter recht große Unterschiede in punkto Qualität. Somit wieder im Preis. Wo aber liegen überhaupt diese Unterschiede? In diesen fünf Punkten…
Härte
meint den Widerstand der Klinge und damit deren Festigkeit und Stabilität. Gemessen in Rockwell nach Skala C (HRC) ist ein Wert zwischen 54 und 64 HRC die Norm.
Zähigkeit
steht für den Widerstand gegen Risse oder Spanabhub. Das Abspanen gilt übrigens als größtes Übel, Schäden sind nur schwer zu beheben. Dummerweise fehlt zum Messen der Zähigkeit ein Standard. Immerhin gibt es eine Faustregel: Je härter der Stahl, desto weniger zäh ist er.
Schnitthaltigkeit
verrät, wie lange die Schneide bei längerer Nutzung scharf bleibt. Leider fehlt auch hier ein Standard, Zahlen sind daher mit Vorsicht zu genießen.
Verschleißfestigkeit
beschreibt die Langlebigkeit deines Messers. Wichtig für die Verschleißfestigkeit sind die Härte des Stahls sowie dessen Chemie.
Korrosionsresistenz
meint den Widerstand gegen Korrosion (Rost) durch Luftfeuchtigkeit, Nässe und Salz. Je höher die Resistenz, desto schlechter ist jedoch die Gesamtleistung der Schneide. Sprich: Eine hohe Korrosionsresistenz verhindert zwar Rost, macht die Schneide aber nicht automatisch besser.
Härte & Co.: Was ist denn nun wichtig?
Welcher der fünf Punkte wiegt nun aber mehr als die anderen? Klipp und klar: Keiner. Denn im Gesamtfazit geht um den bestmöglichen Kompromiss. Klingt es gut, wenn die Klinge superhart ist? Durchaus. Doch damit sinkt deren Zähigkeit. Was ist besser? Härte? Zähigkeit? Beides! Oder nichts!
Beispiel: Die Klinge ist extrem hart. Doch fällt diese auf einen Fels, kann diese brechen oder splittern. Weil die Zähigkeit fehlt. Auf der anderen Seite kann die Klinge extrem zäh und damit biegsam sein. Dafür fehlt wieder die Schnitthaltigkeit. Weil sich die Schneide aufgrund der fehlenden Härte schneller abnutzt. Du musst also ständig nachschleifen.
Also noch mal: Perfekt ist ein gesunder Kompromiss aus allen Punkten. Beim Messerstahl ist somit der Mittelweg der beste Weg.
Messerstahl: 440er, D2, Carbon, Damast
Damit ist das Vorspiel zum Thema Messerstahl zu Ende. Im Vergleich zu anderen Seiten will ich dich hier weder mit allen Stahlsorten noch zig Diagrammen zu Härte und Co. nerven. Ein kompletter Überblick lässt diesen Artikel nur ausufern. Daher hier nur die gebräuchlichsten Stähle für Messer. Das sind…
420er & 440er Stahl
420er Stahl glänzt mit einer hohen Korrosionsbeständigkeit, einer hohen Bruchfestigkeit sowie einem guten Preis. 420er Stahl – korrekt AISI 420 für „American Iron and Steel Institute“ – gilt mit ca. 52 HRC allerdings nicht als besonders hart, was zu Lasten der Schnitthaltigkeit geht. Dafür ist der Stahl leicht zu schärfen. Für grobe Arbeiten taugt der Stahl jedenfalls weniger. Wobei: Mit 420C (Carbon) und vor allem 420HC (High Carbon) gibt es bessere Versionen. Besser im Sinne von härter und somit schnitthaltiger. Dank mehr Kohlenstoff im Stahl.
440er Stahl ist dagegen nichts anderes als rostfreier Stahl aus US-amerikanischer Produktion. Im Vergleich zu 420er Stahl ist 440er Stahl jedoch härter. Außerdem gilt 440er Stahl als rostfrei. Wobei es auch beim 440er mehrere Versionen gibt. Und zwar 440A, 440B und 440C. Der dritte und letzte ist der Stahl mit dem höchsten Anteil an Kohlenstoff. Somit der härteste des 440er-Trios. Und daher wieder der bei den Herstellern beliebteste.
Fazit 420er & 440er Stahl: Beide Legierungen zählen zur Mittelklasse und sind häufig bei Outdoormessern zu finden. Achte beim Kauf von 420er auf das HC, bei 440er auf das C.
D2 Stahl: Der Werkzeugstahl
D2 Stahl stammt ebenfalls aus den USA und ist nichts anderes als Werkzeugstahl. Seine guten Eigenschaften machen den Stahl jedoch auch als Messerstahl interessant. Denn D2 Stahl ist hart und schnitthaltig. Außerdem begeistert D2 Stahl mit einer hohen Bruchfestigkeit. Möglich machen diese Eigenschaften der hohe Anteil an Chrom von 11 bis 13 %. Dank dem Chrom gilt der Stahl zudem als extrem rostträge (nicht rostfrei).
D2 Stahl bietet dir damit ein Top-Gesamtpaket aus Härte, Schnitthaltigkeit und Stabilität. Die Härte misst übrigens je nach Wärmebehandlung bis zu 62 HRC.
Fazit D2 Stahl: Die Legierung gilt bereits als untere Oberklasse. Weil der Stahl hart, schnitthaltig, stabil, rostträge und langlebig ist. Mit D2 machst du also nichts falsch.
Carbonstahl gleich Kohlenstoffstahl
Carbonstahl? Kohlenstoffstahl? Beide Wörter meinen das gleiche: unlegierten bzw. niedrig legierten Stahl. Heißt: Der Stahl besteht vor allem aus Eisen (mind. 95 %) und Kohlenstoff (bis zu 2 %). Sonst aus keinen oder nur sehr wenigen anderen Elementen.
Vorteil: Klingen aus Carbonstahl sind extrem hart und somit extrem schnitthaltig. Nachteil: Da Kohlenstoffstahl kein Chrom enthält, ist der Messerstahl nicht rostfrei. Kohlenstoffstahl reagiert schon beim ersten Kontakt mit Wasser oder Säure (durch Obst oder Gemüse) mit einer grauen Verfärbung. Dennoch ist Carbonstahl bei Messern, Schwertern und Werkzeugen (Gartenscheren, Beile, Äxte) sehr beliebt. Der Stahl gilt als zäh, gut zu schärfen und ist außerdem noch relativ günstig. Apropos: Den Kohlenstoffgehalt erkennst du an der Ziffer. Eine 1050 steht zum Beispiel für 0,50 % Kohlenstoff im Stahl. Beliebter ist allerdings 1095 mit entsprechend 0,95 % Kohlenstoff.
Fazit Kohlenstoffstahl: Typisch ist der Stahl eher für Macheten denn für Messer. Denn da Macheten mehr zum hacken gedacht sind, müssen diese zäh sein. Schärfe ist dagegen weniger wichtig. Ansonsten ist Kohlenstoff in jeder Legierung enthalten, um dem Stahl Härte und damit Schärfe zu geben.
Damaszener Stahl & Damastahl
Damaszener Stahl oder Damast stammt aus Damaskus (heute Syrien). Dort ist der Stahl schon seit Jahrhunderten für Schwerter und Messer in Gebrauch. Die Herstellung ist allerdings recht aufwändig. Der Schmied verbindet Lage für Lage kohlenstoffreichen (harten) Stahl mit kohlenstoffarmen (weichen) Stahl. Diese faltet der Schmied wieder und wieder, womit mehrere hundert (!) Lagen entstehen. Das Ergebnis ist ein extrem harter Stahl, der dennoch flexibel und bruchsicher ist. Davon ab ist der Stahl sehr schnitthaltig und leicht zu schärfen. Als besonderes Schmankerl ergibt sich außerdem eine ganz besondere Optik.
Damastahl (Damasteel) ist quasi eine moderne Weiterentwicklung aus Schweden. Der Herstellungsprozess ist allerdings anders. Zwei verschiedene pulvermetallurgische Stähle – also Stähle in Pulverform – werden abwechselnd geschichtet, verdichtet und erhitzt. Anschließend werden die wieder mehrere hundert Lagen gewalzt, geschmiedet, tordiert (verdreht) und anderweitig mechanisch bearbeitet. Zum Einsatz kommen meist die (rostfreien) Spezialstähle RWL34 sowie PMC27. So zeigt Damastahl die gleichen positiven Eigenschaften wie der echte Damaszenerstahl sowie obendrein dessen besondere Musterung.
Fazit Damaszenerstahl: Die Legierung verspricht einige Pluspunkte, außerdem eine fantastische Optik. Trotzdem ist Damast bei Outdoormessern aus gleich zwei Gründen eher selten. Erstens: Damaszener Stahl oder Damastahl ist nicht wirklich besser als andere (moderne) Stähle. Zweitens: Damast ist wegen seiner aufwändigen Herstellung teuer.
Chrom-Molybdän-Stahl: X50CrMoV15
Chrom-Molybdän-Stahl enthält – neben Eisen – Chrom, Molybdän und Vanadium. Korrekt ist daher eigentlich die Bezeichnung Chrom-Molybdän-Vanadium-Stahl. Das Ergebnis ist jedenfalls ein Edelstahl von bester Qualität: rostfrei, langlebig, strapazierfähig. Pluspunkte sind die Zähigkeit, die Korrosionsbeständigkeit und die Schärfe. Minuspunkte dagegen die Härte von nur 52 bis 56 HRC und die Schnitthaltigkeit. Zugegeben ist Schnitthaltigkeit nicht die schlechteste, dennoch musst du Klingen aus dieser Legierung öfter schärfen. Das ist allerdings recht leicht.
Die sperrige Bezeichnung wirst du beim Messerkauf übrigens selten bis nie finden. Stattdessen liest du die Bezeichnung X50CrMoV15. Messer aus diese Stahl wirst du sogar schon besitzen: X50CrMoV15 ist der meist genutzte Stahl für Küchenmesser.
Fazit Chrom-Molybdän-Stahl: Für Küchenmesser ist die Legierung top, für Outdoormesser weniger. Entsprechend ist der Stahl im Outdoorbereich eher selten.
Messerstahl: Weitere Sorten & Härte-Tabelle
Der Vollständigkeit halber eine Tabelle der genannten Stähle samt Härte und Zusammensetzung.
Stahl | HRC | Zusammensetzung (Anteil %) |
1095 | 58-61 | C (0,9-1,03), Mn (0,3-0,5), P (0,04), S (0,05) |
420 | 49-53 | C (0,15), Cr (12-14), Mn (1), Si (1) |
420C | 54-60 | C (0,43-0,5) Cr (12,5-13,5), Mn (< 0,4), P (0,03), S (0,04), Si (< 0,4) |
420HC | 56-58 | C (0,4-0,5), Cr (13), Mo (0,6), Mn (0,4), Si (0,4), V (0,3) |
440A | 55-57 | C (0,65-0,75), Cr (16-18), Mn (1), Mo (0,75), P (0,04), Si (1), S (0,3) |
440B | 56-59 | C (0,75-0,95), Cr (16-18), Mn (1), Mo (0,75), P (0,04), Si (1), S (0,3) |
440C | 58-60 | C (0,95-1,2), Cr (16-18), Mn (1), Mo (0,75), P (0,04), Si (1), S (0,3) |
D2 | 58-61 | C (1,4-1,6), Cr (11-13), Mn (0,6), Mo (0,9), Si (0,6), V (0,8) |
VG-10 | 58-61 | C (0,95-1,05), Cr (14,5-15,5), Co (1,3-1,5), Mn (0,5), Mo (0,9-1,2), P 0,3, Si (0,6), V (0,1-0,3) |
X50CrMoV15 | 52-56 | C (0,55), Cr (15), Mn (1), Mo (0,8), Si (0,5), V (0,2) |
Es sind noch zig andere Stähle in Verwendung. Doch wie gesagt: Alle aufzuzählen, sprengt diesen Artikel. Stattdessen noch ein Wort zur Härte. Die Klinge muss mindestens 55 HRC aufweisen, um zu taugen. Als Empfehlung für „handbetätigte Messer“ gelten 57 bis 60 HRC. Das zeigt noch mal, dass normaler 420er Stahl keine besonders gute Option ist. 420HC dagegen schon.
Für alle, die wie ich in Chemie eine Null sind, hier zudem noch mal die Elemente „übersetzt“. C (Kohlenstoff), Co (Kobalt), Cr (Chrom), Mn (Mangan), Mo (Molybdän), P (Phosphor), Si (Silizium), S (Schwefel), V (Vanadium).
Quellen: wolfgangs.de, everknives.de, outdoormesser.net, feines-werkzeug.de